Montag, 19. Mai 2014

Projekt Sachsenzelt II

Das Leinen kam an (550g/lm bei 2m Webbreite) und damit geht die Theorie zur Praxis über. Das Aufzeichnen der einzelnen Schnittmusterteile erwies sich als abendfüllende Angelegenheit. Am Ende wurde klar, dass das Leinen sogar 2,20m Webbreite besitzt und somit bleiben genug Reste für die Zeltschlaufen übrig.



Die Zeltschlaufen brachten mich auf die Idee, nach Holzknebeln zum Verschließen des Eingangs zu suchen. Tatsächlich gibt es in den Haithabu-Holzfunden eine ziemlich große Anzahl von gefunden Knebeln. Im Bezug stehen sie zur Hafengegend, wo sie im Zusammenhang von Seilen auftauchen. Typ 3 und 4 sind dabei die häufigst auftauchenden Knebelformen, die Längen variieren von 6,1cm bis 16cm. Meine Knebel sind 7cm lang. Weshalb der Knebel auf dem Bild nach Typ 5 aussieht? Ich hatte mich erst verlesen und gedacht, Typ 5 käme am häufigsten vor ;-) ... zum Glück lässt er sich leicht zu Typ 3 umarbeiten. Einige der Originalfunde sind aus Eibenholz, so wie auch mein nachgearbeiteter Knebel.


aus: Westphal, F.: Die Holzfunde von Haithabu. S.76 (Ausgrabungen in Haithabu Bd.11)



Rechnung die motiviert (?):
Das Zelt besteht aus 11 Kappnähten. Jede Kappnaht ist 3,60 lang.
Jede Kappnaht besteht aus 4maligem Heftsticht (einmal hin, einmal zurück, umschlagen, einmal hin, einmal zurück). Für jede vollständige Kappnaht werden 4 Stunden Zeit benötigt.

Frage A : Wie viele Meter Handnaht liegen vor mir?
Frage B: Wie lange brauche ich ungefähr dafür?

(In die Rechnung nicht einbezogen ist die Zeit für die Säume und sonstigen Kleinnähte und auch nicht die Zeit zur Herstellung von Zeltheringen oder Knebeln.)

Lösung: ca 158m und 44 Stunden    ... o.O




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Sonntag, 4. Mai 2014

Projekt Sachsenzelt I

Natürlich weiß jeder, dass ein Leben im Zelt für "damals" nicht authentisch ist - aber in Ermangelung eines mobilen Langhauses kommt wohl jeder Darsteller irgendwann an den Punkt, da die Frage nach dem Zelt aufkommt. In meinem Fall gibt es zwei Möglichkeiten: Das klassische Wikingerzelt aus dem Osebergfund (834 n. Chr.) oder ein Sachsenzelt nach dem Utrechter Psalter (820-835 n.Chr.). Beide Zelttypen wären zeitlich mit meiner Haithabu-Darstellung (850 n. Chr.) gut in Einklang zu bringen. Für die Zeit meiner Altthüringerin (525 n. Chr.) gibt es ohnehin wenig Funde und Belege - von einem Zelt ganz zu schweigen.

Da ich mir nur ein Zelt nähen werden, entschied ich mich, mehr aus praktischen als historisch belegbaren  Gründen, für das Sachsenzelt:
  • Das Osebergzelt war ein Begräbniszelt. Ob die Lebenden solche Zelte nutzten?
  • Das Osebergzelt benötigt einiges an Gestängen, womit ich mein mittelgroßes Auto nicht belasten möchte. Das Sachsenzelt kommt hingegen mit drei Stangen aus. 
  • Vom Platzverhältnis her ist ein Sachsenzelt nur minimal kleiner als ein Osebergzelt.
  • Das Osebergzelt wird als "typisch wikingisch" betrachtet, sodass es für meine Altthüringerin nicht in Frage kommt.
  • Mit einem Sachsenzelt habe ich schon bei jeder Wetterlage gute Erfahrungen gemacht. 

Schritt 1: Abbildung im Utrechter Psalter ansehen. Hier ein Beispiel: (Quelle siehe unten) 

 Schritt 2: Ein maßstabsgetreues (1:20 cm) Zeltmodell bauen:


Schritt 3: Ausrechnen wie viel Leinenstoff benötigt wird (ca.20 Meter bei 2 Meter Stoffbreite)


Schritt 4: Leinenstoff mit einem Gewicht von mindestens 500 g/lm bei 2 m Stofbreite finden und bestellen.


Quelle Utrechter Psalter: http://bc.library.uu.nl/node/599

Samstag, 3. Mai 2014

Handspinnen



In den „Textilfunden aus der Siedlung und den Gräbern von Haithabu“ (Prof.Dr.I.Hägg, 1991) gibt es ein umfangreiches Kapitel zu den technischen Merkmalen der Haithabu-Textilien. Dazu gehört auch eine Auflistung der Garnstärken von den Schuss- und Kettfäden verschiedener Gewebe:

Beispiele zur Tuchbindung:
Fragment S 19A-D (Pumphose)  Kette 0,25 mm / Schuss 0,35 mm (sehr feines Gewebe)
Fragment S 12a (Hemd/Tunika):   Kette 0,6 mm / Schuss 0,95 mm (grobes Gewebe)
Beispiele zum Gleichgratköper 2/2:
Fragment S 27A-D (Obertunika)  Kette 0,6 mm / Schuss 0,7 mm (sehr feines Gewebe)
Fragment S 28 (Klappenrock)     Kette 0,6 mm / Schuss 0,9 mm (feines Gewebe)
Beispiel zu Gleichgratköper ½
Fragment S 46 (Besatzteil):          Kette 1,5 mm / Schuss 3,6 mm (grobes Gewebe)
Beispiel zum Rautenköper
Fragment S 24 (Wickelband)     Kette 0,4 mm / Schuss 0,35 mm (sehr feines Gewebe)

Nach dem Erwerb einer normalen Schülerhandspindel  (Wirtel & Stab aus Buchenholz) kam die Frage auf: Welche Garnstärken bekommt man damit hin?                                                                                        Und hier das Ergebnis: 


Mit etwas Übung und Geschick bekommt man einfach gesponnene Fäden unter 1 mm Fadenstärke hin (A-C). Die Fäden sind allerdings noch nicht verzwirnt, was aber teilweise notwendig für die Weiterverarbeitung ist. Dadurch wird jedoch die Fadenstärke verdoppelt und A-C entsprächen damit lediglich den Garnen der mittelfeinen bis sehr groben Geweben. Zum Weben als Schussfaden dürften sich alle gesponnen Fäden eignen, selbst unverzwirnt.


Die nächsten Versuche zum Spinnen mit der Handspindel werden mit verschiedenen Spinnwirteln gemacht. Die altthüringer Dame hat einen Spinnwirtel (?) aus Kalkstein und einen aus Glas in ihrem Grab. Die Haithabu-Dame bekommt einen aus Knochen und einen aus Ton. Ich bin gespannt, welche Auswirkungen die unterschiedlichen Wirtelgewichte auf die Fadenstärke haben.

Für jene, die das Spinnen mit der Handspindel auch einmal versuchen wollen, empfehle ich diese Anleitung bei Youtube: Spinnen mit der Handspindel



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